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Polizei will Fakten schaffen – keine Installation von Kameras vor der Gerichtsentscheidung!

In einer Pressekonferenz will die Polizei Dortmund heute über den Start der Installation der Videoüberwachung in der Münsterstraße informieren.Die Inititative gegen die Videoüberwachung fordert die Polizei auf keine Fakten zu schaffen, während aktuell noch eine Klage gegen die Planung läuft, bei der über die Rechtmäßigkeit der Überwachung entschieden wird.

Stand der Klage

Im Namen der Initiative war im Juli Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingereicht worden, um die Videoüberwachung, die euphemistisch gern „Beobachtung“ genannt wird, dieser für die Dortmunder Nordstadt zentralen Straße zu verhindern. Nachdem die Polizei erst nach wochenlanger Verzögerung im September überhaupt Akteneinsicht gewährt hat, wird  in dieser Woche die Klagebegründung eingereicht, auf Basis derer über die Zulässigkeit der Überwachung entscheiden wird.“Dass die Maßnahme nun einfach durchgesetzt werden soll, ist eine Unverschämtheit. Wir sind uns sicher, dass ein Gericht unserer Klage stattgeben wird und die Unverhältnismäßigkeit der Überwachung anerkennen wird. Schließlich handelt es sich um einen erhebliche Grundrechtseingriff, wenn in Zukunft Bewohner:innen und Besucher:innen dauerhaft überwacht werden soll, wenn gleichzeitig nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Überwachung irgendwem nützt. Der Polizeipräsident hattte selbstin der Vergangenheit eine Überwachung der Münsterstraße für nicht zielführend erklärt hat“, sagt Arthur Winkelbach, Sprecher der Initiative. „Und wir fragen uns: Hat die Polizei soviel Angst zu verlieren, dass sie jetzt so schnell wie möglich vollendete Tatsachen schafft?“

Videoüberwachung löst keine Probleme

Die Initiative gegen Videoüberwachung hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Videoüberwachung der Münsterstraße nicht verhältnismäßig ist vor allem nicht dazu beitragen kann, die Probleme der Nordstadt zu lösen. Noch 2016 hatte der Polizeipräsident selbst eine solche Überwachung abgelehnt, da zu erwarten sei, dass sich die Kriminalität nur an andere Orte verlagert. Das hat sich ja nicht plötzlich geändert. Lediglich die Rechtslage ist eine andere, weil sie jetzt auch erlaubt, Straftaten zu bekämpfen, die vielleicht, irgendwann in der Zukunft einmal stattfinden könnten. 
Zudem hat die Evaluation der Überwachung der Brückstraße durch das Kriminologische Institut Niedersachsen gezeigt, dass der Rückgang der Kriminalität im überwachten Bereich nicht auf Kameras zurückzuführen ist. Die Kriminalitätszahlen in ganz Dortmund und der Nordstadt negativ, wofür sich die Polizei Dortmund ja auch regelmäßig selbst lobt, einen stärkeren Rückgang überwachten Bereichen gibt es nicht. Auch für die Rechtfertigung der Überwachung optimierte Statistiken können darüber nicht hinwegtäuschen.
Eine Überwachung der Münsterstraße greift tief in die Persönlichkeitsrechte derjenigen ein, die dort wohnen oder sich regelmäßig aufhalten. Videoüberwachung löst keine sozialen Probleme und Studien haben immer wieder gezeigt, dass auch der erwartete Gewinn an subjektivem „Sicherheitsgefühl“ höchstens temporär ist und durch die Verdrängung gleichzeitig auf Kosten der Nachbar:innen geht.

Stigmatisierung der Nordstadt

Die Argumentation der Polizei  folgt bekannten Mustern. Unter anderem wird der nördliche Teil der Münsterstraße als strukturell problematischer dargestellt, weil sich dort, im Gegensatz zum südlichen Teil, Call-Shops und Shisha Bars befänden – wie auch an dutzenden anderen Orten in der Nordstadt. Diese Stigmatisierung von vorwiegend migrantisch benutzen Orten entspricht auch der Argumentation der Schwerpunktseinsätze gegen sogenannte „Clankriminalität“, die seit Jahren in der Nordstadt und NRW stattfinden und bisher vor allem kleinere Verstöße aufgedeckt haben. Wie zuletzt der Eklat um eine Broschüre  der Polizei in Essen zum Umgang mit sogenannten „Clans“ gezeigt hat, beruht die Vorverurteilung dieser Orte als „diffus kriminell“ auf rassistischen Mustern. Es sind dieselben Muster, die auch Rechtsradikale gerne aufgreifen.
Erschreckenderweise wird diese polizeikritische Perspektive von der Polizei selbst auch wieder als ein Argument für Überwachung betrachtet. In der Begründung für die Videoüberwachung wird unter anderem auch der in der Münsterstraße ansässige Nordpol thematisiert:

„Als problematisch hat sich das Cafe Nordpol (Hausnummer 99) […] erwiesen. Die Besucher sind nicht nur generell aufgrund ihrer ideologischen Prägung ablehnend gegenüber der Polizei, sondern stören zum Teil aktiv die in diesem Bereich durchgeführten Kontrollen der dort agierenden Drogendealer sowie strafverfolgende Maßnahmen gegen diese Klientel.“ 

Aus den Planungsdokumenten der Polizei Dortmund zur Videoüberwachung vom 28.08.2020

Ohne jeglichen Nachweis tatsächlicher Straftaten wird hier ein demokratisches Projekt, in dem seit Jahren Projekte für und mit der Nordstadt stattfinden, kriminalisiert. Das wöchentliches Sprachcafé, der Umsonstladen, politische Veranstaltungen sowie Veranstaltungen mit Jugendlichen sollen überwacht werden, weil sich einige der Besucher:innen die häufig auf Racial Profiling basierenden Kontrollen auf der Münsterstraße nicht kommentarlos hinnehmen. Das die Polizei nicht willkürlich agieren kann ist kein Grund missliebige Meinungen zu überwachen, der Wunsch danach ist eine bedenkliche Tendenz.

Über die Inititative

Bereits im Frühjahr 2020 organisierte die Nachbarschaftsinitative gegen Videoüberwachung Flugblattverteilaktionen gegen die ausufernde Kameraüberwachung in Dortmund, einen Stadtteilspaziergang über die Münsterstraße sowie diverse Nachbarschaftsmeetings. Aktuell beschreitet die Initiative als einen ihrer nächsten Schritte auch den juristischen Weg, gegen die Überwachung ihrer zentralen Einkaufsstraße.

Noch eine rechte Zelle bei der Polizei – Keine Polizeikameras, nirgendwo!

In dieser Woche machte das NRW-Innenministerium öffentlich, dass – Stand 18. September – 30 Polizist:innen aus dem Ruhrgebiet an neonazistischen Chatgruppen beteiligt gewesen sein sollen. Gegen 14 Beamte laufen Strafermittlungsverfahren. 
Ob die Verdächtigen Verbindungen ins Dortmunder Polizeipräsidium hatten oder haben, ob auch Dortmunder Polizist:innen in diesen oder ähnlichen Chatgruppen waren oder sind, wissen wir nicht. Wundern würde es nicht. Schließlich haben auch Dortmunder SEK-Beamte in Mecklenburg-Vorpommern auf einem Schießplatz Übungen abgehalten, dessen Besitzer der rechtsterroristischen „Nordkreuz“-Gruppe nahesteht. Schließlich sind es auch Dortmunder Polizist:innen, die alle paar Wochen in Shisha-Bars rockern, um ein bisschen unversteuerten Tabak als „1.000 Nadelstiche gegen Clankriminalität“ zu präsentieren. Schließlich wurde hier eine schwangere Café-Inhaberin bei einer Razzia von einem Polizisten geschlagen, bedroht und beleidigt. 
Die Dortmunder Polizei hält an den Plänen, die migrantisch geprägte Münsterstraße mit Überwachungskameras auszustatten, bisher scheinbar fest. Wenn die Pläne umgesetzt werden, werden Beamte, von denen völlig unklar ist, welches Bild sie von Staat und Gesellschaft haben, die Tagesabläufe zahlloser Menschen nachvollziehen und auskundschaften können. Das macht uns Sorgen. 
Denn es geht nicht um ein paar Whatsapp-Gruppen, in denen ein paar Polizist:innen ein paar Hitlerbildchen ausgetauscht haben. Sie tragen ihr rassistisches Weltbild auf die Wache, in ihre Einsätze, in polizeiliche Praxis, in Struktur. Das gefährdet alle, die von ihnen als außerhalb der Gesellschaft stehend und rechtlos markiert werden: Migrant:innen, Geflüchtete, Sans Papiers, Arme, Obdachlose, Drogenkonsumierende, psychisch Erkrankte, Menschen mit Beeinträchtigungen, Sexarbeiter:innen und andere mehr. Für uns gilt darum einmal mehr: Polizeiliche Überwachung bringt keine Sicherheit. Kameras bringen keine Sicherheit, nicht in der Münsterstraße, nicht anderswo. 

Klage gegen die Videoüberwachung in der Münsterstraße

Vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wurde am 14. Juli 2020 Klage gegen die geplante polizeiliche Videoüberwachung in der Münsterstraße in Dortmund eingereicht. Für den 16. Juli laden der Kläger und Unterstützer:innen der Initiative Sie ein, über die Einreichung der Klage gegen die geplante polizeiliche Videoüberwachung in der Münsterstraße Dortmund zu berichten. Verfasst wurde die Klage für den Kläger von Rechtsanwalt Jaspar Prigge.

Bereits im Frühjahr 2020 organisierte die Nachbarschaftsinitative gegen Videoüberwachung Flugblattverteilaktionen gegen die ausufernde Kameraüberwachung in Dortmund, einen Stadtteilspaziergang über die Münsterstraße sowie diverse Nachbarschaftsmeetings. Nun beschreitet die Initiative als einen ihrer nächsten Schritte auch den juristischen Weg, gegen die Überwachung ihrer zentralen Einkaufsstraße.

Ziel der Klage ist es, der Polizei Dortmund gerichtlich untersagen zu lassen, die Videobeobachtung, Aufzeichnung und Speicherung auf der Münsterstraße in Betrieb zu nehmen. In einem ersten Prozessschritt wurde dazu Akteneinsicht beantragt.
Hauptbeweggrund für Klage ist die Ansicht, dass die Videoüberwachung unverhältnismäßig in die Grundrechte aller, sich an diesen Orten bewegender und aufhaltender Menschen, eingreift. Die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) und Versammlungsfreiheit (Art.8 GG) werden verletzt ohne, dass die erwarteten Vorteile erreichbar sind.

Schon länger macht die Initiative „Nachbar:innen gegen Videoüberwachung der Münsterstraße“ auf die vielen Probleme aufmerksam, die die unverhältnismäßige und wirkungslose polizeiliche Maßnahme mit sich bringen wird.

Zitat Kläger: „Ich befinde mich fast täglich berufsbedingt und privat zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf der Münsterstraße. Ich habe dort soziale Kontakte, kaufe ein, besuche Cafés, das Kino und Ärztinnen und Ärzte und besuche regelmäßig Veranstaltungen im ‚Nordpol‘. Durch den Einsatz festinstallierter optisch-technischer Überwachungsmittel wird für mich nicht mehr nachvollziehbar, wann und wo ich dabei beobachtet werde und wie lange die Bilder von mir bei der Polizei gespeichert werden. Ich befürchte das die Polizei, ohne Anlass Bewegungsprofile anlegt und kontrolliert wann, wer, welche Läden aufsucht. Ich befürchte auch, dass die Daten nicht ausreichend geschützt sind und die falschen Hände geraten oder Personen ohne gute Gründe unter Verdächtigung geraten. Gleichzeitig zeigen der Erfahrung aus der Brückstraße, dass die positiven Effekte nicht nachweisbar sind und die sinkende Kriminalität in der Nordstadt und Dortmund unterstreicht, dass die existierenden Maßnahmen vollkommen ausreichen.“

Arthur Winkelbach ergänzt die Ausführungen des Klägers aus der Sicht der Nachbarschaftinitative: „Die letzten Wochen haben nochmals ins Bewusstsein gebracht, das eine unkritische Haltung gegenüber polizeilichen Maßnahmen, Grundlage für rassistische Formen von Polizeihandel sein können. Mit der Kamera Überwachung drohen die schon vorhandenen Prozesse wie des ‚racial Profiling‘ und der Verdräng und und Vertreibung von sozialprekären Personen sich weiter zu verschärfen. Bis heute ist durch keine Studie bewiesen worden, dass eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum zur „Kriminalitätsreduzierung“ taugt oder die Sicherheit erhöht. Das gilt auch für das oft zitierte ‚Sicherheitsgefühl‘.“

Bei Fragen oder Anregungen ist die Nachbarschaftsinitiative gegen Videoüberwachung unter der folgenden E-MailE-Mail- Adresse zu erreichen: kameras-stoppen-dortmund ät riseup.net

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