Kategorie: pressemitteilung

Abschließende Stellungnahme zur Klage gegen die Kameraüberwachung der Münsterstraße

Am 23.09.2022 hat das Oberverwaltungsgericht Münster unseren Eilantrag gegen die Kameraüberwachung in zweiter Instanz abgelehnt. Die Kameras der Polizei dürfen hängen bleiben. Wir sind enttäuscht über diese Entscheidung, aber die Urteilsbegründung macht deutlich, dass die Videoüberwachung in ihrer ursprünglichen Planung nicht gesetzeskonform war.  Erst durch unsere Klage wurde die unverhältnismäßige Überwachung angepasst und auch nun im Abschluss bestehende Schwächen wie die 15-Minuten-Einsatzzeit öffentlich. 

Das Vorgehen der Polizei war geprägt von mangelnder Transparenz, fehlendem Problembewusstsein und Zugeständnissen in Salami-Taktik. Auch vor dem Hintergrund der Ereignisse um den Mord an Mouhamed Dramé und den Entwicklungen in der Nordstadt offenbart sich, dass die Polizei in Dortmund ein systemisches Problem darstellt und nicht für zivile Sicherheit, sondern für staatliche Eigeninteressen einsteht.

Zum Ablauf

Als klar wurde, dass das neue Polizeigesetz in NRW 2018 Videoüberwachung in größerem Umfang als bisher ermöglichen würde, begann eine Arbeitsgruppe innerhalb der Polizei Dortmund, die Überwachung der Münsterstraße vorzubereiten, die der Polizeipräsident noch wenige Jahre vorher abgelehnt hatte. 

Im Juli 2020 hatte NoCamDo erstmals Klage gegen die bekanntgewordenen Pläne zur Überwachung der Münsterstraße zwischen Hausnummer 50 und 99 (plus anliegender Straßen) eingereicht. Im September bekamen wir über das Gericht erstmals Zugang zu 90 Seiten Planungsdokumenten, die unsere Zweifel an der Gesetzeskonformität bestätigten. Trotz der laufenden Klage und unserer ausführlichen Klagebegründung vom Oktober kündigte die Polizei dann im November 2020 an, die Kameras zeitnah in Betrieb zu nehmen, woraufhin wir einen Eilantrag gestellt haben. Nachdem das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen unseren Eilantrag im Februar 2021 abgelehnt hatte, legten wir im März 2021 Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ein, wo das Urteil nun 1,5 Jahre später gefällt wurde. Im Mai 2021 hatte die Polizei die Kameraüberwachung gestartet und zwischenzeitlich auch den Mehmet-Kubaşık-Platz, der an den überwachten Bereich angrenzt, kurzzeitig mit einem mobilen Container überwacht.

Das OVG Münster hat nun unseren Eilantrag zwar abschließend abgelehnt, allerdings beruht die Entscheidung auf einem Einsatzplan, – der erst durch unsere Intervention verändert wurde –, auf falschen Fakten und auf Basis eines Polizeigesetzes, das mit rein repressiven Maßnahmen versucht, ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen, das in der Realität bereits in sich zusammen gefallen ist.

Aber im Detail:

Ursprüngliche Einsatzplanung war vermutlich rechtswidrig 

Im Rahmen der Verfahren und der öffentlichen Debatte wurde wiederholt Kritik an der Planung und Duchführung der Überwachung laut. 

Die Überwachung des Nordpols und von Shishabars

Bereits in einem der ersten Planungsdokumente heißt es: „Besonderer Wert wird auf die Hausnummer 60–62, 66 (Shishabars mit einschlägiger Klientel) und 99 (Cafe Nordpol) gelegt.“ Weiter heißt es zum Nordpol: „Die Besucher sind nicht nur generell aufgrund ihrer ideologischen Prägung ablehnend gegenüber der Polizei, sondern stören zum Teil aktiv die in diesem Bereich durchgeführten Kontrollen der dort agierenden Drogendealer sowie strafverfolgende Maßnahmen gegen diese Klientel.“ 

Statt konkreter Straftaten sind die Gründe für die Überwachung struktureller Rassmismus, Vorurteile gegenüber „Shishabars“ und deren Kund:innen sowie die kritische Haltung einiger Besucher:innen des Nordpols gegenüber den ebenfalls häufig als Racial Profiling wahrgenommenen Kontrollen.

In der ersten Stellungnahme zum Eilantrag musste die Polizei dann aber schon zurückrudern. Nicht der Nordpol solle überwacht werden, sondern der Raum davor. In der Klageerwiderung hieß es im Januar 2021:

„Zur Verdeutlichung des Umstandes, dass der öffentliche Einsatz Hausnummer 99 und nicht das Café als Einrichtung von dem verbindlch optisch-technischer Mittel erfasst werden soll. Wird nochmals verbindlich mitgeteilt, dass der gesamte Eingangsbereich des Café Nordpol geschwärzt wird.“ 

aus der Klageerwiderung der Polizei

Wir hielten und halten diese Zusage für unzureichend. In Kooperation mit dem Nordpol haben wir weiter argumentiert, dass auch die Bereiche, die den Zugang zum Nordpol bilden, nicht überwacht werden sollten. Im Nordpol finden regelmäßig politische Versammlungen statt, die nach § 8 Grundgesetz (Versammlungsfreiheit) geschützt sind, und zu denen Zugang möglich sein muss, ohne dass sich die Besucher*innen überwacht fühlen. Das reine „Schwärzen“, über die die Polizei weiterhin keine Transparenz geschaffen hat, und dass man einer Kamera auch nicht ansehen kann, ist unserer Ansicht nach nicht ausreichend.

Diese Frage musste das OVG nun aber nicht klären, da der Nordpol mittlerweile – auch wegen der Überwachung – die Münsterstraße verlassen hat und seit November in der Bornstraße 144 zu finden ist. Das OVG hält die Frage aber durchaus für relevant und erklärt, es „bedürfte der umfassenden (verfassungs-)rechtlichen Würdigung.“ (Zitat aus dem Urteil)

Transparenz: Mangelhaft

Neben der mangelnden Transparenz über (vielleicht) geschwärzte Bereiche hatten wir argumentiert, dass die Kameras auf Vorbeilaufende so wirken, als würden sie durchgehend filmen. Zwar waren die Kameras von Anfang mit Shuttern ausgestattet, die sich vor die Kameralinse schalten lassen, um sichtbar zu machen, dass nicht aufgenommen werden kann. In der Praxis hatte die Polizei diese Funktion aber nur bei Demonstrationen genutzt. Nachdem wir diesen Zustand bereits im Sommer 2021 kritisiert und die Nordstadtblogger es auch nochmal dokumentiert hatten, passierte aber außer einem Dementi vonseiten der Polizei nichts. Erst nachdem der WDR darüber berichtet hatte, teilte Polizeipräsident Lange kurz vor dem Urteilsspruch dem Gericht mit, dass die Shutter nun auch „außerhalb der Betriebszeiten“ geschaltet werden würden. Das Gericht nimmt auf diese spontane Änderung gleich zweimal lobend Bezug. Auch hier wäre ohne unsere Intervention nichts passiert. 

Wir hatten auch kritisiert, dass die Schilder, die auf die Videoüberwachung hinweisen, insbesondere auf der Mallinckrodtstraße erst erkennbar sind, wenn man sich schon im Bereich der Überwachung aufhält. Das Gericht hat dieses Problem auch erkannt und kritisiert. Dass es nicht zu einem Verbot der Videoüberwachung führt, ist juristisches Klein-Klein. Der Kläger wäre ja, dank der Infos, die er im Rahmen des Verfahrens bekommen hat, schon informiert genug; für ihn seien die Schilder nicht relevant. Es liegt nun also an der Polizei, die Beschilderung auch ohne Urteil zu verbessern.

In beiden Punkten – Überwachung des Nordpols und mangelnde Transparenz – hat unsere Klage und die öffentliche Diskussion bewirkt, dass die Polizei ihr Einsatzkonzept überarbeiten musste. Hier haben die internen Prüforgane wie die Datenschutzbeauftragten entweder versagt oder wurden nicht gehört.

An den vorurteilsbehafteten Lageeinschätzungen ändert sich ohnehin nichts.

Trau keiner Statistik …

Ein weiterer bleibender Kritikpunkt ist für uns die Arbeit der Polizei mit Statistiken. Das Verfahren hat gezeigt, dass die Datenlage beliebig angepasst und zum eigenen Vorteil dargestellt wird. Umso unverständlicher ist für uns, dass das Gericht die Angaben weiterhin akzeptiert.

Grundsätzlich ist das Problem aller polizeilichen Kriminalitätsstatistiken, dass sie Verdachtsfälle betrachten und nicht tatsächliche Straftaten, die auch von Gerichten bestätigt wurden. Das führt dazu, dass bei erhöhter Polizeipräsenz natürlich auch mehr Verdachtsfälle generiert werden. Die Münsterstraße ist regelmäßig Ziel von Innenminster Reuls rassistisch motivierter Kampagne gegen „Clankriminalität„, die von der Polizei Dortmund als „Schwerpunkteinsätze“ dargestellt werden. Dabei werden willkürlich Menschen kontrolliert und durchsucht; natürlich werden dabei eine Vielzahl von Verdachtsfällen generiert, die die Statistik in die Höhe treiben. Dieser Umstand findet im Urteil des Gerichts keine Berücksichtigung, stattdessen werden Äpfel mit Birnen verglichen und die Anzahl der vermeintlichen Straftaten ins Verhältnis zur Gesamtfläche der Stadt Dortmund gesetzt, die ja zu wesentlichen Teilen aus Grünflächen besteht.

Würde die Polizei auf dem Westenhellweg oder am Phoenixsee genauso stark kontrollieren, ließe sich an jedem belebten Ort in Dortmund die statistische Grundlage für Videoüberwachung schaffen.

Und natürlich war es auch im Hinblick auf die Statistiken nicht so, dass die Polizei von sich aus mit korrekten Zahlen gearbeitet hätte. Auch der Behörde ist klar, dass nicht alle Straftaten in einem Straßenabschnitt irgendwie durch Videoüberwachung aufgeklärt und verdrängt werden können (z. B. Begebenheiten, die in Innenräumen stattfinden). Trotzdem wurden die Statistiken erst im Laufe des Verfahrens und nach Aufforderung durch das Gericht präzisiert. Statt 403 war dann nur noch 335 Straftaten in 2017 die Rede.

Die Statistiken lassen übrigens auch die gegenteilige Bewertung zu: Die Zahl der vermeintlichen Straftaten sind in den Jahren vor der Videobeobachtung (von 2017 bis 2019) bereits um 55 % gesunken. Von 2019 bis 2021 (also mit den Jahren 2020 und 2021, in denen eine Überwachung stattgefunden hat), dann nur noch um 25 %. Man könnte also auch behaupten, die Videoüberwachung habe dazu geführt, dass die Münsterstraße weniger schnell sicher wird.

Negative Effekte finden keine Berücksichtigung

Wir haben von Anfang an betont: Videoüberwachung löst keine Probleme. Sie macht sie kurz sichtbar und verdrängt sie anschließend. 

Genau dies ist in der Münsterstraße passiert, vor allem was den Drogenhandel angeht. Menschen mit Suchtproblemen wollen weiterhin Drogen kaufen und Menschen mit wenig anderen Einkommensmöglichkeiten sind mehr oder weniger freiwillig hier tätig. Mal abgesehen davon, dass der Drogenhandel sich in den vergangenen Jahren digitalisiert hat und nun online stattfindet, hat der verbleibende Straßenhandel sich einfach andere Orte gesucht. Insbesondere die Zimmerstraße und der Keuningpark sind nun zum „Problemgebiet“ erklärt worden. Eine Lösung ist Kameraüberwachung hier nicht. Würde man den Keuningpark überwachen, müsste man im Anschluss vermutlich den Blücherpark überwachen. Erst wenn ganz Dortmund und Lünen überwacht sind, könnte man zufrieden sein … wäre dann doch Unna das Problem.

Verdrängungseffekte kann man aber auch ganz konkret beobachten. Die Polizeimeldungen der vergangenen Monate nannten immer wieder Einsätze in der Zimmerstraße, die parallel zur Münsterstraße verläuft – und eben nicht überwacht ist. Zuletzt fielen dort im Oktober 2022 Schüsse.

Falsche Versprechen und keine Exit-Strategie

Unsere Klage gegen die Videoüberwachung hatte zum Ziel, die Überwachung zu untersagen, da wir sie für grundrechtswidrig halten. Die Polizei hat stetig argumentiert, sie würde die Münsterstraße sicherer machen. Das Gericht hat uns zwar nicht recht gegeben. Die Polizei hat aber auch gezeigt, dass sie ihr Versprechen nicht einhalten kann. Soweit die Evaluation bisher gezeigt hat, vergehen im Schnitt etwas mehr als 15 Minuten von dem Zeitpunkt, zu dem die Videobeobachter*innen etwas entdecken, bis dann Einsatzkräfte vor Ort sind. 15 Minuten, um die maximal 500 Meter von der Wache Nord bis zur Münsterstraße 99 zu überwinden.

Es stellt sich die Frage welchen Sinn die Evaluation einer Maßnahme hat, wenn jedes Ergebnis dazu führt, dass die Überwachung bleibt. Obwohl die Zahl der Verdachtsfälle in der Münsterstraße zurückgeen, bleiben die Kameras hängen. Obwohl sich gezeigt hat, dass die Kameraüberwachung ihr Ziel, schnelle Eingreifen zu können nicht erreicht, bleiben die Kameras hängen. 

Für uns bleibt die Frage: Was muss passieren damit die Polizei versteht, dass die Kamerüberwachung ein Fehlschag ist? Gibt es überhaupt einen Plan, wann die Maßnahme beeindet wird? Oder sind die 800.000 € die bisher investiert wurden der Grund das man in jedem Fall weiter machen muss?

Zusammenfassung

Wir hatten mit unsere Klage gegen die Videoüberwachung der Münsterstraße leider keinen Erfolg. Das Gericht folgte der Begründung der Polizei, die sich auf das aktualisierte Polizeigesetz beruft, das seit einigen Jahren umfangreichere Videoüberwachung erlaubt. 

Durch unsere Klage und anhaltende Kritik hat die Polizei nachgebessert und Dinge präzisiert, die ohne eine Klage und öffenltichen Druck, vermutlich gesetzeswidrig umgesetzt wurden. Dass die Polizei nicht von sich aus korrekt arbeiten kann (wie z. B. die Shutter benutzen, die sie selbst hat anbringen lassen) ist schade und bringt uns zum letzten Punkt:

Die Polizei hat im Rahmen der Klage und auch durch ihr Verhalten im Viertel in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie kein Akteur ist, der positiv zum Leben in der Nordstadt beiträgt. Repressive Maßnahmen wie die Videoüberwachung, aber vor allem Racial Profiling und willkürliche Kontrollen im Rahmen von „Schwerpunkteinsätzen“ gehören zum Alltag und schaffen Sicherheit nur für diejenigen Dortmunder*innen, die in den Pressemeldungen davon lesen, aber nicht betroffen sind. 

Statt einer aufgerüsteten Polizei, mit Tasern, Bodycams, Kameras und Maschinenpistolen brauchen wir andere Formen der Sicherheit. NoCamDo wird daher in Zukunft in der Kampagne Defund The Police mitarbeiten, die am 18.11.2022 im Nordpol in der Bornstraße eine Veranstaltung organisiert zum Thema „Was ist »Abolitionismus«?“ durchführen wird, die am Vorabend der Demonstration „Es gibt 1000 Mouhameds – Sie verdienen Gerechtigkeit!“ stattfindet. 

PM: Zum Abbau des Überwachungscontainers auf dem Mehmet-Kubaşık-Platz und der Doku „Eine Straße voller Kameras“.

Am 11.10.2021 wurde der Überwachungscontainer abgebaut, der seit dem 15. Juni den Mehmet-Kubaşık-Platz dominiert. Die Initiative gegen die Kameraüberwachung NOCAMDO begrüßt diesen Schritt und hofft, dass auch die Kameras in der Münsterstraße zügig abgeschaltet und abgebaut werden.

Während die Polizei die Maßnahme als Erfolg wertet, sieht sich die Initiative in ihrer Kritik bestärkt: Der Einsatz ist unverhältnismäßig und richtet sich gegen die Bewohner*innen der Nordstadt. Statt Probleme im Stadtteil wirklich anzugehen, soll Kleinkriminalität durch den Technikeinsatz nur verdrängt werden.

Die vergangenen Monate haben auch gezeigt, dass das Transparenzkonzept der Polizei nicht aufgeht und vermeintlich „technische Probleme“, wie die Nichteinhaltung der Überwachungszeiten, daran zweifeln lassen, dass ein rechtskonformer Einsatz der Kameras überhaupt möglich ist. Diese Einschätzung wird auch durch eine nun veröffentlichte WDR Doku bestätigt.

Wenn die Polizei ihre eigenen Statistiken ernst nimmt, sollten auch die Kameras in der Münster- und Brückstraße abgehängt werden

Die Initiative NOCAMDO hat grundsätzliche Zweifel an den Statistiken der Polizei, die bisher ohne wissenschaftliche Begleitung entstehen. So liegt kein Nachweis vor, ob die Kameras oder aber die Coronaschutzmaßnahmen den Grund für den vermeintlichen Rückgang von Delikten sind. Aber auch unabhängig von den konkreten Zahlen ist die Argumentationslogik der Polizei widersprüchlich. Auf der einen Seite werden „gesunkene Fallzahlen“ und das Argument der Verhältnismäßigkeit als Begründung für den Abbau des Überwachungscontainers angeführt. Auf der anderen Seite gilt dies nicht für die Videoüberwachung auf der Brückstraßesowie der Münsterstraße für festinstallierte Kameras – insbesondere für die Brückstraße ist der Rückgang der Zahlen seit Jahren von der Polizei selbst ermittelt worden. Hier zeigt sich, dass nicht rechtliche Argumente, sondern scheinbar Kostengesichtspunkte bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines massiven Eingriffs in die Grundrechte Vorrang haben.

Die Ankündigung der Polizei bei „steigenden Fallzahlen“ eine „Wiedereinführung der Videoüberwachung“ vorzunehmen, zeigt, dass neben der fehlenden wissenschaftlichen Evaluation auch durch Ad-Hoc Überwachungsmaßnahmen gerichtliche Überprüfungen sowie ggf. richterliche Einschränkungen der Überwachungsmaßnahmen erschwert werden, da die Maßnahmen ohne Ankündigungen durchgeführt werden.

Nichtsdestotrotz bewertet die Initiative den Abbau der Kameras positiv. „Wir erwarten nun, dass die Polizei bei ihrer ersten Evaluation der Daten aus der Münsterstraße zu dem selben Ergebnis kommt und konsequenterweise auch dort die Kameras abbaut“, so Artuhr Winkelbach, ebenfalls Teil der Initiative.

Dokumentation zeigt mangelnde Transparenz

Parallel veröffentlichte der WDR in den Abendstunden des 11. Oktobers die Dokumentation „Eine Straße voller Kameras: Muss die Polizei alles sehen?“, die im Sommer aufgezeichnet wurde. In der Dokumentation wird deutlich, dass vielen Anwohner*innen bis heute unklar ist, wann und ob Kameras eingeschaltet sind und welche Bereiche die Kameraüberwachung wirklich erfasst. Sie zeigt, dass ein Kommunikations- und Transparenzkonzept fehlt und offenbar keine Planungen existieren, die bestehenden Unklarheiten bei Anwohner*innen der Münsterstraße zu beheben. Auch ein am Anfang interviewter Polizeibeamter kann das Konzept mit grünen und roten Aufklebern nicht schlüssig erklären und der Polizeipräsident kann am Ende nur behaupten „man müsste erkennen“ welche Kameras ausgeschaltet seien.

Rechtlich interessant war in der Dokumentation ebenfalls die Frage von Schwärzungen bestimmter Bereiche im Überwachungsgebiet. So ist den betroffenen Geschäften, deren Besucher*innen und auch den Anwohner*innen bis heute nicht klar, welche außengastronomischen Bereiche geschwärzt wurden und welche nicht und auf welcher Entscheidungsgrundlage dies geschieht. Die Initiative hatte im Rahmen der Klage mehrfach auf diesen Missstand hingewiesen, ohne dass hier Klarheit geschaffen wurde. „Wir freuen uns, dass nun immerhin öffentlich wird, dass es überhaupt Schwärzungen gibt. Leider sind diese nicht ausreichend“, so Martin Pilpul, In der Dokumentation ist sichtbar, dass Hauseingänge von Wohnhäusern nicht geschwärzt sind – dies stellt nach Ansicht die NOCAMDO Initiative aber einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf Privatssphäre dar.

Ebenfalls nicht geschwärzt sind die KFZ-Kennzeichen, hierzu liegt nach einer richterlichen Anordnung des Verwaltungsgerichtes Köln bzgl. der Kameraüberwachung in Köln zur Schwärzung eben dieser, ein offenes Verfahren beim Oberverwaltungsgericht in Münster vor. Bisher ist nach Aktenlage und technischer Konzeption keinerlei Ansatz erkennbar einen Grundrechtsschutz für KFZ-Halter*innen vorzunehmen.

Ebenfalls in der Dokumentation zu Wort kommt ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation „Train of hope“, der eindrücklich auf eine Problematik hinweist, vor der die Kritiker*innen der Kameraüberwachung stets gewarnt haben. Durch die Überwachung in Kombination mit rassistischen Stereotypen bei Polizeibeamt*innen kommt es nun vermehrt zu polizeilichen Kontrollen aufgrund der vermuteten Herkunft. Die schon lange bestehende Problematik des Racial Profiling wird durch die optische Totalerfassung des Raums der Münsterstraße somit nicht zurückgedrängt, sonder vielmehr noch weitergehend verstärkt und quasi institutionalisiert in alltägliches polizeiliches Handeln.

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